…. und warum es nicht immer nett sein muss.
Hunde haben sich etwas zu sagen. Jede Menge sogar. Und das ist nicht immer nett.
Warum sollte es auch?
Als wären wir immer (gern) nett. Es gibt Menschen, die wir einfach nicht ausstehen können. Die wir sehen und sofort ballen wir die Faust in der Tasche. Oder es rutscht uns ein schnippischer Spruch heraus.
Manchmal haben wir einfach einen schlechten Tag und sind genervt. Dann muss uns nur jemand die Vorfahrt nehmen und wir lassen unserem Ärger lautstark freien Lauf.
Warum sollte es bei Hunden anders sein?
Nicht jeder Hund mag alle Artgenossen. So unterschiedlich Menschen sind im Hinblick darauf, ob sie sich gern mit einer Horde anderer umgeben, oder eher zurückgezogen leben, so verschieden sind auch Hunde.
Nur anders als ein Mensch kann ein Hund nicht immer selbst über Nähe & Distanz bestimmen.
Wenn zwei Hunde z.B. an der Leine nah aneinander vorbei geführt werden (oder gar zusammen gelassen werden), dann bleibt ihnen u.U. nicht viel übrig, als lautstark „Bescheid“ zu geben, dass sie keine Lust auf einander haben – denn das Weite suchen können sie aufgrund der Leine nicht.
Wenn ein aufgedrehter Labrador frontal auf Nachbars gestandenen Schäferhund-Rüden zurast, um direkt eine Anal-Genital-Kontrolle durchzuführen, findet dieser das vielleicht etwas unhöflich – und zeigt das auch kurzzeitig.
Manchmal trifft ein frecher Jungspund auf einen souveränen Althund, der kein Interesse an ausgedehntem Maulwinkel-Lecken oder sonstigem „Anschleimen“ hat. Dann wird es vielleicht mal kurz laut und geht halt etwas ruppig zu.
Die meisten Hunde können mit so einer Abfuhr ganz gut umgehen. Jungspunden tut diese Form der Erziehung tatsächlich oft ganz gut (sofern sie angemessen ist). Der dazugehörige Mensch ist es, dem das Herz kurz stehen bleibt.
Eine geschätzte Kollegin hat ein Seminar mit dem Titel „Aggression ist auch nur Kommunikation“. Der Titel ist wunderbar treffend. Aggressive Kommunikation gehört zur hündischen Kommunikation – ebenso wie zu unserer. Sie sollte nicht gefürchtet werden, weil sie tatsächlich dazu dient, ernsthafte Konflikte zu vermeiden!
Versucht man Hunden zu verbieten, aggressiv zu kommunizieren, beschneidet man sie einerseits eines Teils ihrer natürlichen Kommunikation. Tatsächlich kann man damit übrigens auch dazu beitragen, dass der eigene Hund demnächst auf der Eskalationsleiter einige Stufen überspringt und direkt ernsthaft beschädigt – weil ihm verboten wurde, vorher mit Knurren/Abschnappen etc. anzuzeigen, dass er Distanz will.
Ein Hund hat ein Recht darauf, einem anderen auch mal die Meinung zu sagen, wenn es angemessen und nicht völlig überzogen ist. Insbesondere, wenn der andere etwas daraus lernen kann.
Wir sind es, denen es schwer fällt, das auszuhalten. Weil wir uns um unseren Hund sorgen, oder um den anderen, in der Angst, dass möglicherweise etwas passieren könnte. Oder weil wir uns um unseren Ruf sorgen – nachher sind wir die mit dem „aggressiven Hund“. Und was würde das über uns aussagen? Damit ist man gesellschaftlich ja stigmatisiert. So, als wäre es die eigene Schuld, dass der Hund „so“ geworden ist.
Nein – Hunde als Spiegel unserer selbst sollen möglichst gut hörend & angepasst sein – und immer schön allen freundlich „Hallo“ sagen. Das wollen wir von unseren Hunden, so wie von unseren Kindern. So sind schon wir erzogen worden.
Dabei sollten wir so fair sein und mal überlegen, wann wir das letzte Mal aggressiv kommuniziert haben – und wie gut es uns unter Umständen auch getan hat.
Dieses Recht sollten wir unseren Hunden auch zugestehen – denn wieso sollten wir von ihnen etwas verlangen, das wir selbst nicht leisten können?
Aggression (in angemessenem Umfang!) hat seine Berechtigung. Sie dient dem Überleben – und dem inneren Gleichgewicht. Wer immer nur „nett“ sein muss, erkrankt daran oder reagiert irgendwann völlig überzogen.
Das gilt für Mensch wie für Hund.
(c) Johanna Pelz, www.miteinanderlernen.de
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