Wie viele von uns kennen das Szenario: Man ruft seinen Hund – und er kommt nicht. Vielleicht kommt er nach dem zweiten Mal, oder dritten Mal rufen – vielleicht muss man ihn irgendwann an Ort und Stelle abholen.
Warum er nicht gehört hat ist ja wohl eindeutig: Er war ignorant! Oder…?
Dieses ist eine oft vorschnelle – und falsche – Interpretation.
Natürlich entscheidet sich ein Hund schon mal, nicht dem Rufen seines Menschen nachzukommen, weil er gerade etwas anders zu tun hat – zum Beispiel eine spannende Marke abzuschnuppern. Es kann aber auch einen ganz anderen Grund haben, warum ein Hund nicht kommt; und dieser liegt nicht beim Hund – sondern beim Menschen.
Mensch und Hund kommunizieren unterschiedlich. Während wir Menschen vornehmlich über unsere Lautsprache kommunizieren, nutzen Hunde schwerpunktmäßig ihre Körpersprache.
Gerade „Hundeneulinge“ sind sich dessen nicht bewusst. Aber auch „alte Hasen“ in der Hundeszene unterschätzen oft die Bedeutung der eigenen Körpersprache, wenn sie mit ihren Hunden umgehen.
Hunde beobachten uns den ganzen Tag und versuchen, unseren Bewegungen und unserer Körperhaltung Bedeutung zu entschlüsseln. Viele Hunde halten uns irgendwann für „Körperkläuse“, weil das, was wir sagen, oft nicht mit dem übereinstimmt, was unsere Haltung ausdrückt. So blenden einige Hunde das aus, was wir körpersprachlich vermitteln (weil sie diesem keine Bedeutung entnehmen können), und reagieren auf das, was wir lautsprachlich sagen (also z.B. Kommandos).
Es gibt aber durchaus Hunde, z.B. sehr sensible Vertreter, oder solche aus dem Tierschutz, die bislang mit Menschen als Sozialpartner wenig Erfahrung gemacht haben, die sehr genau auf unsere Körpersprache achten, auch, wenn diese in Diskrepanz – und entsprechend darauf reagieren.
Dieses kann z.B. der Fall sein, wenn wir so einen Hund rufen. Wie sagen das Kommando „Hier.“, aber unsere Körpersprache drückt etwas Gegensätzliches aus. Wir schauen dabei z.B. dem Hund in die Augen und stehen frontal zu ihm. In der menschlichen Kommunikation drücken wir damit höfliche Kommunikationsbereitschaft aus – nicht aber in der hündischen. Wenn ein Hund einen anderen direkt anschaut, dann selten mit einem freundlichen Hintergrund. Es signalisiert unter Hunden nicht: „Komm her.“, sondern vielmehr: „Bleib’ weg, oder es könnte Stress geben.“
So kann ein Hund, der sehr sensibel für unsere Körpersprache ist, in die Bredouille kommen, nicht zu wissen, was er tun soll: Dem Wortkommando folgen – oder lieber an Ort und Stelle zu bleiben, damit es nicht zu einem Konflikt kommt?!
Ein sensibler Hund entscheidet sich so vielleicht für letzteres. Und bleibt stehen.
Was tun wir Menschen? Wir interpretieren vorschnell, glauben, der Hund wolle nicht kommen und rufen abermals. Vielleicht ärgern wir uns auch noch, weil der Hund nicht tut, was er soll, obwohl er doch das Kommando „Hier.“ kennt. Also mischt sich Ärger in unsere Stimme, wir werden etwas lauter, vielleicht lehnen wir uns mit unserem Oberkörper noch vor – und erreichen damit, dass der Hund sich „bestätigt“ fühlt, vielleicht doch lieber dort zu bleiben, wo er ist. Dabei verhält er sich also überhaupt nicht ignorant, sondern eher deeskalierend.
Diesen Konflikt kann man vermeiden, indem man seine Körpersprache in Einklang bringt mit der lautsprachlichen Äußerung. Möchte ich, dass mein Hund kommt, lade ich ihn nicht nur verbal, sondern auch mit meinem Körper ein. Während eine frontale Ausrichtung mit direktem Blickkontakt aus hündischer Sicht bedrohlich ist, ist eine defensive Haltung einladend. Wenn mein Hund auf mein Kommando hin zu mir schaut, gehe ich ein bis zwei Schritte rückwärts. Meinen Blick wende ich dahin, wohin ich meinen Hund bewegen möchte, nämlich vor meine Füße. Sollte mein Hund noch „in der Schwebe“ hängen und nicht wissen, was er tun soll, gehe ich zusätzlich in die Hocke, wobei ich auch dort eine defensive Haltung einnehme, d.h., meine Schulter vom Hund abgewandt ist, ich also leicht seitlich hocke. So zeige ich meinem Hund sowohl laut-, als auch körpersprachlich eindeutig, was ich von ihm möchte.
Dieses ist nur ein Beispiel, wie sich menschliche und hündische Kommunikation unterscheiden und wie es dadurch zu Missverständnissen kommen kann.
Um diese Missverständnisse zu vermeiden, ist ein erster Schritt, sich klarzumachen, dass diese Unterschiede bestehen. Im zweiten Schritt ist es sinnvoll, sich mit hündischem Ausdrucksverhalten zu beschäftigen und die entsprechenden Erkenntnisse in den täglichen Umgang mit dem Hund einfließen zu lassen.
Nicht zuletzt ist es wichtig, nicht vorschnell zu interpretieren, wenn ein Hund nicht das tut, was er soll („Der ist ignorant.“), sondern erst einmal zu überlegen, was die Ursachen dafür sein könnten. Denn, wenn wir die wahren Ursachen erkennen, können wir an diesen fair und nachhaltig arbeiten.
(c) Johanna Pelz, www.miteinanderlernen.de
(Darf unter Angabe des Copyrights gern geteilt werden.)
Hallo Frau Pelz,
Neugierig habe ich obigen Text von Ihnen gelesen da ich Ihren Text zum Thema „Balljunkie“ sehr informativ finde (vor allem für diejenigen die immer noch glauben unreflektiertes Dinge-Werfen sei vollkommen bedenkenlos)und hoffe, dass diese Erkenntnisse mehr und mehr den Weg in die Köpfe auch von „nicht-Hundetrainer/innen“ finden.
Da ich selbst Jahrelang beruflich mit Hunden zu tun hatte, Caniden so zu sagen meine Passion Nr 1 sind, kann ich mir zum Text mit der Ignoranz doch ein Statement nicht verkneifen:
Auch hier empfinde ich den Text für die meisten Neulinge als sehr hilfreich.
Doch vermisse ich den Hinweis darauf, dass das Herankommen des Hundes so aufgebaut werden sollte wenn es sich um Individuen handelt die zu bestimmten hundetypen zählen..(einziger Hinweis war- Sensibelchen/und dass Mensch seine Körpersprache „verhundlichen sollte“
dass es Rassen gibt die durchaus zum „Durchzug“ im Freigang neigen, was ihrer Entstehungshistorie und dem dahinter verborgenen, ursprünglichen Verwendungszweck geschuldet ist, diese Komponente Vermisste ich.
Es kann durchaus bei einigen Individuen sinnvoll sein, auf diese schnurstracks zuzugehen…
Viele Grüße
Von einer hundefreundin an eine Hundefreundin