Irrtum:
Häufig sehe ich im Fernsehen, wie eine Vielzahl von Problemen durch den Einsatz eines Futterdummy scheinbar gelöst werden.
Das Grundproblem ist beispielsweise: Sobald der Karabiner der Leine vom Halsband abgehakt wird, ist der Hund verschwunden. Kaum wird aber der Futterdummy eingesetzt, schon ist der Rest der Welt uninteressant.
Oder der Hund pöbelt andere Hunde an. Und auch hier: Der Futterdummy scheint alles zu richten. Wenn Frauchen ruft und ruft und ihr Hund nicht reagiert: Ein Futterdummy muss her!
Nichts anderes scheint notwendig; weder das Aufstellen neuer Regeln, noch eine Veränderung in der Mensch-Hund-Beziehung – der Beutel beseitigt jedes Problem im Handumdrehen!
Richtigstellung:
Der Futterdummy ist ein schönes Hilfsmittel, um mit dem Hund als Team zusammen zu arbeiten. Wird er zunächst nur spielerisch eingesetzt, kann so (durch die attraktive Füllung) das Interesse eines Hundes an Objekten erhöht werden.
Wird mit dem Dummy systematisch, unter Einsatz von Kommandos, gearbeitet, haben Hund und Mensch ein gemeinsames Jagderlebnis – für den Hund sanktionsfrei (anders, als wenn er Kaninchen jagen geht ) und in Abhängigkeit von seinem Menschen. Diese gemeinsamen Erlebnisse schweißen ein Mensch-Hund-Team zusammen.
Unter diesem Gesichtspunkt erachte ich den Einsatz eines Futterbeutels in vielen Situationen als hilfreich. Aber: Er ist nur ein Hilfsmittel und sollte als solches betrachtet werden.
Was mir bei dem Trainingsansatz wie oben beschrieben vor allem fehlt, ist der Bereich der Führung, also das Einfordern von Respekt und das Setzen von Grenzen.
Böse ausgedrückt könnte man sagen: Der ausschließliche Einsatz des Beutels ist laufendes Bestechen des Hundes. Damit versuche ich, den Respekt des Hundes vor meiner Führung (an dem es bisher mangelte) mit Futter zu „erkaufen“. Es ist nur eine Symptombehandlung; das Grundproblem (mangelnde Struktur) wird nicht gelöst.
Der Einsatz geschieht häufig nicht systematisch (was z.B. so aussehen könnte: Hund hält Ruhe ein, Beutel wird geworfen und darf dann apportiert werden. Oder der Beutel wird zunächst versteckt und Hund wird mit einem Kommando losgeschickt.) – aber gleichzeitig auch nicht mit spielerischer Leichtigkeit. Nicht selten sehen Herrchen und Frauchen reichlich unentspannt aus, wenn sie mit dem Futterbeutel vor der Nase des Hundes wedeln – und das diesen nicht interessiert.
Warum sollte es ihn auch interessieren? Vielleicht hat er genug gegessen. Vielleicht hat er kein oder nicht genug Interesse an Futter. Vielleicht sind seine Halter zu bemüht. Vielleicht hat ein Hund absolut kein Interesse daran, den Beutel zu apportieren. Was dann? Den Hund hungern lassen, bis er zwangsläufig mit dem Menschen kooperiert?! Oder gibt es dann keine Problemlösung mehr?
Denkt man an den Einsatz vom Futterbeutel im Bereich der Teamarbeit, fallen noch mehr Ungereimtheiten auf: Wer will denn in einem Team mit jemandem arbeiten, der sich ihm anbiedert?!? Normalerweise will man einen starken Teampartner – jemanden, mit dem man sich sicher fühlt, an dem man sich orientieren kann!
Die Krux ist: Sicherheit und Struktur können nicht durch einen Futterbeutel vermittelt werden! Beides gehört in den Bereich der Führung. Dort setze ich Grenzen, zeige dem Hund klar (durch meine Körpersprache), dass er sich gerade nicht zu entfernen hat, dass ich „Gesprächsbedarf“ habe und er herkommen soll – oder einen Artgenossen nicht anzupöbeln hat. Zollt er mir diesen Respekt (oder ist er aufmerksam), kann ich Grenzen wieder erweitern, in die anderen Bereiche Spiel/Teamarbeit umswitchen und dem Hund als Ausgleich etwas anbieten, u.a. z.B. gemeinsames „Jagen“ mit dem Futterbeutel. Oder eben etwas anderes – je nachdem, was den Hund motiviert.
Es geht also nicht darum, einen Hund ständig einzuschränken, nur Grenzen zu setzen oder zu sanktionieren. Im Gegenteil bin ich der Ansicht, dass alles an schwierigen Situationen oder Problemen über Spiel/Teamarbeit gelöst werden kann, darüber gelöst werden sollte. Dennoch darf der Aspekt der Führung nicht ganz fehlen. Ein Hund schließt sich vielleicht in vielen Situationen gern einem Menschen an, der ihm Spaß und Streicheleinheiten bietet. Ein Hund wird sich im Zweifelsfall aber immer einem Menschen anschließen, der ihm Spiel und Orientierung bietet. Erst über dieses Zusammenspiel treten Mensch und Hund in eine gesunde Beziehung ein.
Der Futterbeutel ist so wunderbar geeignet, mit Ihrem Hund Teamarbeit zu vollziehen und ihn artgerecht auszulasten. Ihr Hund darf sanktionsfrei jagen und kommt erst durch das Apportieren zu seinem Erfolg – also in Abhängigkeit von Ihnen. So gestehen Sie ihm die Möglichkeit zu, größere Distanzen einzunehmen und dort nach einem fest definierten Ziel zu suchen, sorgen aber auch dafür, dass er seinen Radius wieder verkleinert, wenn er zu Ihnen zurückkommt.
Vorraussetzung ist jedoch eine solide Basis, auf der Ihr Hund Sie als ernstzunehmender Beziehungspartner ansieht, der ihm klare Führung bietet. Das lässt sich nicht erkaufen – nur erarbeiten. Aber: Es lohnt sich!
Hallo Johanna!
Ich bin heute ganz zufällig über deine Seite gestolpert und danke dir für die guten Artikel, die ich jetzt schon stöbernd gefunden habe .
Ich bin Eine, die mit Futterdummy arbeitet und sehr gute Erfolge damit erzielt hat, aber genauso wie du schreibst kommt es sehr auf die Art und Weise des Einsatzes an. Sehr oft wird auch der Dummy verschrien und die Arbeit mit dem Futterbeutel kritisiert oder sogar verteufelt. Du schreibst sehr schön davon, was der eigentliche Knackpunkt mit dem Dummy ist. Wie oft sehe ich in der Realität wie auch im TV, wie falsch damit „trainiert“ wird. Damit wird natürlich denjenigen, die das große Ganze nicht verstanden haben, Futter gegeben, sich darüber aufzuregen. Aber strukturiertes Apportieren, systemisch aufgebaut, kann wirklich sehr helfen, eine Beziehung zum Hund aufzubauen und zu festigen, sowie eine Alternative zu haben, gemeinsam etwas mit meinem Hund zu machen. Mit meinem Listi war es sogar eine DER Möglichkeiten, meinen Hund, der kraft Gesetzes ständigem Leinenzwang unterlag, eine auslastende Beschäftigung zu geben. Danke dir für diesen Artikel, der genau darstellt, was so wichtig an dem Training mit Dummy ist und ab wann auch der Dummy zum unnötigen Hilfsmittel werden kann.
Habe dieses Statement mit großem Interesse gelesen.
Ist ganz einleuchtend – SUPER.