…müssen doch perfekt hören, oder? Denn wenn ein Trainer seinen eigenen Hund schon nicht im Griff hat – wie soll er dann kompetent Wissen an Halter vermitteln?
So dachte ich monatelang. Aus diesem Grund wollte ich nicht, dass jemand in meinem Hundepark weiß, dass ich (damals noch angehende) Hundetrainerin bin.
Ich denke, ich muss nicht erwähnen, dass ich dieses Bedürfnis nicht so sehr zu den Zeiten hatte, wenn Cookie und Monster wie selbstverständlich bei Hundebegegnungen auf meiner Höhe blieben und auf ein „Ok“ warteten, um zu anderen Hunden hinlaufen zu dürfen.
Auch nicht zu den Zeiten, während derer wir spielten wie der wilde Watz und die beiden sich für keinen anderen Hund interessierten.
Und natürlich auch dann nicht, wenn fremde Menschen sie locken wollten und sie völlig gleichgültig an ihnen vorbei – und zu mir liefen.
Es ging eher um die Momente, wenn ich meinen beiden Jungs klar untersagte, zu einem Hund hinzulaufen – sie mich kurz fragend anblickten, abzuwägen schienen – und dann doch mit wehenden Ohren (und mir in meiner Vorstellung die Mittelkralle zeigend) hinrannten.
Oder wenn Cookie sich an einem köstlichen Menschenhaufen im Gebüsch zu schaffen machte und ich wie ein Rumpelstilzchen um den Busch herumsprang und laut „Pfuuuuuuiiiiiiii“ brüllte, weil ich ihm durch das dichte Gestrüpp einfach nicht folgen konnten.
Ab und zu auch, wenn Cookie an fremden Leuten (und deren Taschen) eher interessiert war an mir und die anderen Menschen mich freundlich anlächelten und fragten: „Der ist sicher noch jung, oder?“ Und ich laut: „Ja!“ sagte und leise murmelte „Zwei Jahre…“
Aber es ist höchste Zeit, mit falschen Vorstellungen über Hunde von Trainern aufzuräumen!
Es gibt Hunde, die prima „hören“. Diese Hunde können Trainern gehören oder ganz normalen Hundehaltern. Es gibt Hunde, die nicht so gut hören. Diese Hunde können Trainern gehören. Oder ganz normalen Hundehaltern
Überhaupt: Was bedeutet es denn, wenn ein Hund gut „hört“? Kann ein Hund überhaupt gut hören, wenn ich sprachfrei mit ihm kommuniziere? Was, wenn ein Halter, wie ich beispielsweise, körpersprachlich mit seinem Hund kommuniziert und dieser Hund folgt ihm nicht? Sieht er dann nicht gut?
Allgemein wird als „gut hören“ verstanden, wenn ein Hund seinem Halter folgt. Wenn der Hund sich also wenig bis gar nicht gegen das auflehnt, was sein Mensch ihm sagt. Anders ausgedrückt, vielleicht ein wenig plakativer: Wenn er funktioniert. (Ich erwähne an dieser Stelle nur ganz kurz, dass es natürlich Hunde gibt, die eher bereit sind, dem Menschen ohne Widerspruch zu folgen und solche, die ihre Menschen fordern.)
Sprechen wir von „Funktionieren“, sollten wir uns folgendes bewusst machen:
Ein Hund ist ein Lebewesen, kein Automat.
Fallen Konditionierungen weg, geht es nicht mehr um Funktionieren oder nicht, es geht um Kommunikation und Beziehung.
Wer würde von seinem Partner sagen, dass er gerade „nicht gut hört“?
Ich setze einen anderen Bezugsrahmen, wenn ich mich von Funktionieren und Nicht-Funktionieren löse. In einer Beziehung erwarte ich nicht von einem Partner, dass er alles tut, was ich ihm sage. Ich gestehe ihm eine eigene Meinung zu. (Obwohl es mir, zugegebenermaßen leichter fällt, wenn diese mit meiner übereinstimmt ) Ich äußere eine Erwartungshaltung, mein Partner ebenfalls. Damit will ich nicht sagen, dass die Mensch-Hund-Beziehung mit einer gleichberechtigten Partnerschaft übereinstimmt. Aber sie ist dennoch eine Partnerschaft, in dem ich den Hund mit seinen Bedürfnissen wahrnehme. Als Mensch steht es mir zu, ihn manchmal in seinen Bedürfnissen einzuschränken (weil anders gemeinsames Leben in der Zivilisation nicht funktioniert) – und ihnen an anderer Stelle nachzukommen.
Um dem Hund meine Bedürfnisse, bzw. meine Erwartungshaltung an ihn zu vermitteln, muss ich eine klare Kommunikationform wählen. Selbst wenn ich mir große Mühe gebe, kann Kommunikation misslingen, weil es z.B. Störfaktoren (wie eine hohe Reizlage, z.B. durch Menschen, Hunde, andere Umwelteinflüsse) gibt. So kann meine Botschaft an den Hund u.U. gar nicht, oder nicht deutlich genug, ankommen. Andererseits kommt sie vielleicht an – aber der Hund entscheidet sich dafür, etwas anderes zu tun, nach dem Motto: „Frauchen, ist ja ganz prima, dass Du mich jetzt aus diesem Busch rausholen möchtest. Ich nehme trotzdem noch schnell einen Bissen von dieser Köstlichkeit.“
Es ist kein entscheidendes Kriterium für die Kompetenz eines Trainers, ob sein Hund gut „hört“, d.h. immer funktioniert. Ansatzpunkt, einen Trainer kritisch zu betrachten, sollte meiner Meinung nach sein, ob er einen Hund als Beziehungspartner wahrnimmt. Ob er eine dem Hund und der jeweiligen Situation angepasste Kommunikationsform wählt, dem Hund seine Erwartungen transparent zu machen. Ob er dabei Störfaktoren erkennt und sie umgehen kann. Und ob er an anderer Stelle auch mal „Fünfe gerade sein“ lässt, weil er einen Hund mit seinen Bedürfnissen wahrnimmt.
Bei all den oben genannten Kriterien ist erst einmal unerheblich ob es sich um seinen eigenen Hund handelt oder um einen Hund im Training.
Was man nicht vergessen sollte: Wir Trainer sind bei unseren eigenen Hunden eben auch nur Hundehalter – und damit ein ganzes Stück betriebsblind.
Das ist tatsächlich nicht hinderlich, sondern hilfreich…weil wir so überzeugend sagen können: „Ich verstehe Sie sehr gut, weil ich diese Situation selbst kenne!“ Und glauben Sie mir, meine Hunde bieten mir viele Erfahrungen, aus denen heraus ich diese Aussage treffen kann!
Besonders während „schwieriger“ Zeiten versuche ich, Spaziergänge nicht mehr als gelungen oder misslungen einzuteilen, meine Hunde nicht als funktionierend oder nicht funktionierend zu sehen. Ich versuche, ganz bei ihnen zu sein und unsere Kommunikation zu beobachten, zu prüfen und an der ein oder anderen Stelle zu schärfen. So muss ich mich nicht genieren, als Trainerin Hunde zu haben, die nicht perfekt sind. Stattdessen kann ich stolz darauf sein, Hunde zu haben, die in vierlei Hinsicht die besten Lehrmeister für mich sind.
Hallo, Johanna;
du sprichst mir aus dem Herzen. Auch ich habe mich immer verstohlen umgeschaut (manchmal auch jetzt noch), wenn Ronja mal wieder die Tiere im Wald interressanter fand / findet als mich! Mittlerweile gehe ich damit (etwas) gelassener damit um, da es mir doch meistens gelingt sie von ihren Ausflügen ab zu halten. Und wenn sie doch mal abhaut, freue ich mich, wenn sie nach 1-2 Min. wieder da ist…
Und die Kunden sind beeindruckt, wenn ich sagen kann: „Das mit dem Jagdtrieb kenne ich! Es lässt sich einschränken, aber nicht komplett abschalten.“
Liebe Grüße
Michaela
Ja meine liebe Johanna, das sprichst du natürlich auch mir aus der Seele mit deinem Bericht. Ich denke das wir Hundetrainer aufgrund unserer oftmals übertriebenen Erwartungen an uns selbst, unsere eigenen Hunde „verlieren“. Auch ich habe anfänglich mich immer gefragt warum macht mein Hund dies und das und jenes. Meiner Meinung nach, machen genau diese Anzeichen bei unseren Hunden, dass sie nämlich nicht immer „funktionieren“, uns als Menschen und als Trainer aus. Auch aus dem eigenen Kundenkreis habe ich schon öfters gehört „ach bei Ihnen auch, na da bin ich ja beruhigt das Ihnen als Trainer ….“
Wie du schon so schön sagtest: „Wir sind auch nur Hundehalter“ und das ist gut so. Wir wissen, dass unsere Hunde „funktionieren“ wenn dies also mal nicht der Fall ist, stecke ich den Kopf heute gewiss nicht mehr in den Sand. Ich schaue in mich hinein und da habe ich bis dato immer die Antwort auf das Verhalten meiner Hunde gefunden……auch wir haben „nur“ Hunde
Liebe Johanna,
dein Artikel hat mich regelrecht berührt! Und JA, natürlich geht es mir auch so. Wobei, mein Mann eigentlich der ist, der von mir erwartet, dass Tao „auf Knopfdruck“ tut was ich ihm sage, bzw. was mein Mann meint, dass ich ihm geagt hätte. Das hat auch dazu geführt, dass ich mich manchmal selbst unter Druck gesetzt habe. SO EIN BLÖDSINN!!! Ich habe mein Handy mit dem von dir geschriebenen Artikel meinem Mann in die Hand gedrückt und gesagt: „Ich möchte dass du das hier liest, JETZT!“ Er hat es getan und gesagt, ws wäre wohl was Wahres dran. DANKE! Ich hätte ihm da viel erzählen können.
Ich bin eigentlich inzwischen schon darüber weg gewesen, bis auf die wenigen Ausnahmen, wenn so „gewisse Menschen“ in meinem Umfeld auftauchen, denen man „es zeigen möchte“, aber das ist auch am Abklingen, jetzt erst recht! Jessica
Ja, Johanna, ich denke das geht allen Hundetrainern, die ihren Hund über „Beziehung“ führen so. Manchmal ist man auch einfach selbst nicht gut drauf, unkonzentriert, wie auch immer…und dann ist eben der Hase oder das Reh schneller als man selbst.
Das mag peinlich sein vor Menschen, die anders denken, aber auch beruhigend für unsere Kunden zu wissen, dass wir nicht unfehlbar sind.
Und mal ehrlich…war doch in unserer Ausbildung auch irgendwie beruhigend, dass mancher „Trainerhund“ nicht nur „funktioniert“.
Liebe Grüße
Heike
Eine gelungene Darbietung dessen, was man denken kann, wenn man eine ausbildung gemacht hat und dann doch wieder ab und an gegen eine Mauer läuft. Ich finde du hast sehr bildlich dargestellt, dass auch Hundetrainer nur Menschen sind, die Stärken und Schwächen haben. Auch wir sind nicht allwissend, aber unsere Stärke liegt darin, dass wir erkannt haben, dass wir es nicht sein müssen, sondern dass wir eine Einstellungen gewonnen und erfahren haben, die uns bewusst gemacht hat, dinge auch aus einem anderen Blickwinkel wahrzunehmen. Das Leben ist nicht perfekt, die Hunde sind pefekt, aber wir sind nicht perfekt im Umgang mit Ihnen und das genau ist das Salz in der Suppe. Wäre wir so perfekt in der Kommunikation mit unseren Hunden, dann würden Sie sich aus lauter Langeweile wahrscheinlich gar nicht mehr bemühen uns noch eine chance zu geben. Perfektionismus ist langweilig und verhindert Entwicklung. Ein Hundetrainer mit Stärken und Schwächen, weiß darum, die Stärken eines Hundehalters zu nutzen und hat den Mut die Schwächen eines Hundehalters verantwortungsvoll anzusprechen. Danke für diesen sehr gelungenen Artikel. Hat Spaß gemacht zu lesen und ist wie immer sehr inspirierend.
Vielen Dank für all die schönen Kommentare! Ich klicke auf ein imaginäres „Gefällt mir“, besonders dafür, dass Ihr meine Erfahrungen teilt.
Liebe Johanna,
du sprichst mir aus dem Herzen…sind gerade vom Spaziergang im Wald zurück und ich habe das Gefühl das alle anderen Hunde leinenführig sind, zuverlässig gehorchen ( sonst könnten sie ja nicht ohne Leine laufen… etc. Mein Flat coated zieht meistens wie ein Ochse ,meint er muss jeden begrüßen (ja genau mit Küssen -gerne auch Vorderpfoten auf den Schultern… und ich bin jedesmal froh,daß man mir nicht ansieht ,das ich seit mittlerweile fast einem halben Jahr in der Ausbildung zum Hundetrainer bin und meine komplette Freizeit gerne auf dem Hundeplatz verbringe…. Ich muß mich dann moralisch erst mal wieder hochangeln…. schade das du soweit weg bist-hätte dich gern mal getroffen
Liebe Grüße und mach weiter so Sabine
Liebe Sabine,
danke für Deinen Kommentar!
Du musst das so sehen: Noch kannst Du Dich damit herausreden, dass Du noch in der Ausbildung bist; wenn Du fertig bist, hast Du keine Ausreden mehr.
Ja, es braucht, wie gesagt, etwas Selbstbewusstsein! Man ist nun einmal betriebsblind beim eigenen Hund, das ist oft so! Ich bin Lehrerkind – und war trotzdem keine absolut vorbildliche Schülerin.
Letzt habe ich noch gelesen, wie jemand schrieb, dass ihm solche Trainer sympathisch sind, die überzeugend sagen können: „Das und das Problem kenne ich sehr gut von mir und meinem Hund!“ Und so sehe ich das auch. Unsere Hunde sind eben Lebewesen und keine Automaten. Auch (zum Glück!) nicht die von Trainern.
Also, Schultern zurück, Kopf hoch – stolz sein! Dein Hund ist ein Charakterkopf – das wird er doch von irgendwem haben…?
Liebe Grüße
P.S.: Das Bergische Land ist höchst attraktiv für Kurzurlaube.
Ja Johanna,das Beispiel mit dem „Kind eines Lehrers“ kam mir auch sofort in den Kopf,ich bin keine Hundetrainerin ,aber froh,daß auch ihr „Schwächen“ bei der Hunderziehung habt.Wie war das noch? Man kriegt nie den Hund,den man haben will,sondern den,den man braucht! Das kann ich nur bestätigen,denn ich bin mit Betsy „gewachsen“ und sehe viele „Probleme“ als sportliche Herausforderung. Mein Mädchen ist auch eine,die jedem Hund erstmal freundschaftlich die Pfoten um den Hals legt und bis jetzt nur gute Erfahrungen damit gemacht hat,also wie ich,die immer erstmal vom Guten bei jedem aussgeht.Das schönste Kompliment einer Freundin: Betsy ist so sozial,weil du so bist! Stimmt,ich war Krankenschwester und gewohnt,mit wildfremden ins Gespräch zu kommen,immer interessiert an anderen Menschen und ihren Problemen. trotzdem arbeite ich weiter daran,daß sie sich eben nicht auf jeden Wuffi freudig stürzt. Wir wachsen alle mit unseren 4beinigen Aufgaben
Liebe Petra,
erwähnte ich, dass ich selber Lehrerkind bin?
Ja, ich glaube, so ziemlich die beste Art und Weise, zufrieden mit seinem Hund zu leben, trotz dessen „Macken“, ist, gerade diese als Lernaufgabe zu sehen…und auch immer wachen Auges zu schauen, welche vermeintlichen Macken z.B. ein Spiegel meines Verhaltens ist; oder aber vielleicht nur auffallen, weil ich besonders hohe Ansprüche in dem Bereich habe etc.
Diese kritischen Überlegungen sind wir unseren Hunden schuldig.
Ich freue mich, dass Du gemeinsam mit Betsy an den Dingen arbeitest, die es noch zu optimieren“ gilt, aber, so wie ich herauslese, auf eine unaufgeregte Weise.
Herzliche Grüße!
Das Fazit
„So muss ich mich nicht genieren, als Trainerin Hunde zu haben, die nicht perfekt sind. Stattdessen kann ich stolz darauf sein, Hunde zu haben, die in vierlei Hinsicht die besten Lehrmeister für mich sind.“
trifft es gut!