Fast alle Halter von jagenden Hunden kennen sie – die bangen Minuten, wenn die liebe Fellnase mal wieder im Wald verschwunden ist.
Warum musste dieser blöde Hase auch genau hier und jetzt über den Weg flitzen – da kann ja wirklich KEIN Hund widerstehen!
Na ja – bis jetzt ist er ja immer zurückgekommen…
Irgendwann purzelt der kleine Jäger mit einem breiten Grinsen auf den Lefzen wieder aus dem Gebüsch und die Zufriedenheit, den Spaziergang mit dieser kleinen Jagdsequenz beendet zu haben, ist ihm deutlich anzusehen.
Solche oder ähnliche Geschehnisse spielen sich tagtäglich viele Male dort ab, wo Menschen mit ihren Hunden unterwegs sind. Darüber hinaus gibt es einige andere immer wiederkehrende Probleme mit Hunden, die sich mit (fehlgeleitetem) Beutefangverhalten begründen lassen.
Weil das Jagdverhalten unserer besten Freunde nicht nur dafür sorgen kann, dass sich kleine kuschelige Fellbündel scheinbar in einem Blutrausch verlieren, sondern auch vielen Hundebesitzern die Nerven raubt, habe ich mich entschlossen, darüber eine kleine Blogartikelreihe zu schreiben. Sie soll helfen, solches Verhalten zu verstehen, einzuordnen und zumindest Ideen geben, wie man darauf reagieren kann.
Los geht es mit Teil 1:
Tief verwurzelt – warum jagt ein Hund eigentlich?
Ein Hund sieht eine vermeintliche Beute, läuft ihr hinterher, und versucht sie zu bekommen. Auf den ersten Blick ganz logisch… oder?
Die wenigsten Hunde müssen jagen, um satt zu werden. Futter steht normalerweise ausreichend zur Verfügung, so dass das Jagen zur Nahrungsbeschaffung nicht mehr notwendig ist.
Warum jagen so viele Hunde trotzdem? Sollte die Evolution nicht während der Domestikation (also der Abspaltung des Hundes von seinen wolfsähnlichen Vorfahren) dazu geführt haben, dass Jagen bei unseren heutigen Haushunden nicht mehr vorkommt? Schließlich ist ein wichtiger Grund, warum die damaligen Caniden zu Hunden geworden sind vermutlich der, dass sie in Menschennähe ein reichhaltiges Nahrungsangebot vorfanden, das das Erlegen von Beute quasi unnötig machte.
Meiner Ansicht nach gibt es zwei Gründe dafür, dass das Beutefangverhalten nach wie vor zur genetischen Grundausstattung von Hunden gehört:
1. Jagdverhalten ist ein so altes Erbe, dass die Evolution einfach noch nicht genug Zeit hatte, es auszuradieren. Daher ist es in wirklich jedem unserer Hunde vorhanden.
Das ist aber für mich nicht der Hauptgrund dafür, dass so viele Hunde eine sehr hohe Motivation besitzen, Beutefangverhalten zu zeigen.
2. Den Hauptgrund haben wir Menschen uns wahrscheinlich selbst zuzuschreiben, indem wir mit züchterischer Auslese systematisch die Anpassungsvorgänge der Natur untergraben haben und das immer noch tun. Das zeigt sich auch darin, dass immer wieder bestimmte Rassen damit in Verbindung gebracht werden können.
Wir produzieren Spezialisten, deren Talente oft im Bereich des Jagdverhaltens liegen. Das mag seine Berechtigung haben, wenn solche Hunde verantwortungsvoll in dem ihnen zugeschriebenen Aufgabenbereich eingesetzt werden. Werden sie jedoch als Familienhunde gehalten, verselbständigen sie sich oft innerhalb ihrer Anlagen und es gibt die bekannten Probleme.
Die erste Erkenntnis, die wir daraus ziehen können, ist die, dass jagende Hunde nichts dazu können, dass sie jagen. Sie jagen nicht, um uns Hundehalter zu ärgern, oder weil sie ungehorsam sind, sondern weil sie nicht anders können. Ich finde diese Erkenntnis sehr wichtig im Umgang mit Hunden, deren Passion im Jagen liegt, denn sie hilft dabei, es ihnen nicht übel zu nehmen, nicht böse auf sie zu sein!
Sie folgen einem inneren Antrieb, einer Motivation, die ihren Ursprung in einer Zeit hat, als das Jagen überlebenswichtig war.
Seht in Euren jagenden Hunden keine ignoranten Viecher, sondern habt immer im Hinterkopf, dass sie gerade nicht anders können.
Auch wenn ich später noch ausführlicher darauf eingehen möchte, ist an dieser Stelle schon mal anzumerken, dass es vorrangig KEIN Beziehungs- oder gar Bindungsproblem ist, wenn ein Hund jagen geht. Ein Hund, der gerade jagt, ordnet alle anderen Verhaltensweisen dem unter. Deswegen hat man, ist er einmal gestartet, keinen Zugriff mehr auf ihn, da er sich in einer Art „Tunnel“ befindet, der dafür sorgt, dass nur noch das Sinnesorgan mit Signalen zum Gehirn vordringt, das gerade für das Verfolgen der Beute relevant ist. Das sind meistens die Augen, oder aber die Nase.
Die Ohren sind in solchen Momenten unwichtig, weshalb kein noch so laut gerufenes Kommando zum Gehirn vordringt.
Das Beutefangverhalten von Hunden mit in die Erziehung einzubeziehen, es für den Vierbeiner gar nicht erst so wichtig werden zu lassen, oder aber auch schon im Hund festgesetztes Jagdverhalten wieder zurück zu entwickeln, ist eins der spannendsten und gleichzeitig schwierigsten Themen im Hundetraining. Um dies hin zu bekommen ist etwas Wissen um die Dinge, die sich im Hund abspielen, während – oder schon kurz bevor – er jagt, meines Erachtens nach unumgänglich. Bitte verzeiht mir daher meine Ausführlichkeit zu diesem Thema. Ihr werdet sehen, wie sich am Ende alles zu einem „Großen Ganzen“ zusammenfügt.
Im nächsten Teil meiner kleinen Blogartikelreihe wird es darum gehen, welche Verhaltensweisen zum Beutefangverhalten gehören, womit Jagen tatsächlich schon anfängt, und an welcher Stelle man noch erzieherisch eingreifen kann.
(c) Lennart Peters, www.miteinanderlernen.de
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